Samstag, 24. Januar 2009
 
Slowenien: Mob gegen Roma PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Indymedia/DAZ   
Mittwoch, 1. November 2006

Am Samstag, den 28. Oktober, versuchte ein aufgebrachter Mob aus den slowenischen Dörfer Ambrus und Kriska Vas eine naheliegende Siedlung von etwa 30 Roma zu stürmen. Polizei-Einheiten hielten sie kurzfristig davon ab, doch wurde kurz darauf ein Wohnhaus eines Roma abgebrannt. Und das war leider kein Einzelfall.

Mittlerweile sind die Roma in einer ehemaligen, baufälligen Kaserne in der Nähe von Sloweniens einzigem Abschiebelager in Postojna untergebracht.

Den Anfang hatte eine heftige Schlägerei zwischen einem Nicht-Roma und einem Bewohner von Ambrus am 22. Oktober, wobei der Ambruser lebensgefährliche Verletzungen davontrug. Der Obdachlose selber saß bis vor kurzem 7 Monate im Gefängnis. Nach seiner Entlassung wohnte er in dem Dorf Struge, die Polizei verjagte ihn jedoch auf Drängen der BewohnerInnen, sodaß er in der Roma-Siedlung sesshaft wurde.

Die AmbruserInnen gaben den Roma die Schuld an dem Vorfall und die "Ambruser Ortsgemeinschaft" ("Ambruška krajevna skupnost") organisierte am Montag, dem 23. Oktober eine Dorfversammlung an der sich mehrere hundert Menschen beteiligten. Vom Staat wurde gefordert, das "Romaproblem" schnellstmöglich zu lösen, am Samstag, dem 27.Oktober war um 10 Uhr wieder eine "Dorfversammlung" anberaumt, an der sich aber keinE PolitikerIn beteiligte, was die AmbruserInnen als Affront verstanden und geschlossen zur Romasiedlung zogen.

RassistInnen-Versammlung in Krka Vas

In Krka Vas sammelten sich BewohnerInnen derweil vor dem Kulturhaus und zogen auch zur Roma-Siedlung. Dort anwesend war schon Presse und Polizei, letztere sogar mit berittenen Spezialeinheiten, welche den rassistischen Mob erstmal aufhalten konnte. Die Roma versteckten sich im nahegelegenen Wald.

Am frühen Abend wurden Lagerfeuer angezündet, auch der Alkoholspiegel stieg immer weiter an, bis um 19 Uhr dann der slowenische Innenminister Dragutin Mate ankam und vor laufender Nachrichtenkamera sagte, dass die Roma über Nacht in ihrer Siedlung bleiben könnten, worauf er von der aufgebrachten Menge mit Steinen und Münzen beschmissen wurde. Diese zerstreute sich danach jedoch, die Polizei griff nicht ein.

Die Regierung war ratlos, was sie mit den Roma nun machen soll, kurzzeitig wurde auch überlegt sie in Sloweniens einziges Abschiebelager in Veliki Otok bei Postojna zu internieren. Den Roma blieb nichts anderes übrig als in den nahegelegenen Wäldern zu bleiben, die Polizei unternahm nichts, um ihnen die Rückkehr zu ihrem Hab und Gut zu gewährleisten. So wurden am Montag, dem 30. Oktober das Auto des erwähnten Nicht-Roma und ein Holzhaus eines Roma abgefackelt. Die Polizei forderte die Roma daraufhin auf, wegzugehen, mit der Zusage, sie könnten auch ihre eigenen, grösstenteils unregistrierten Autos benutzen. In der Realität sah das dann so aus, dass sie nach einigen hundert Metern von Polizisten aufgehalten wurden und für jedes einzelne Auto strafen zahlen mussten. Die Reise führte die Menschen in eine aufgelassene Kaserne in Postojna, wo seit 1992 ein Flüchtlingslager besteht, in dem jedoch die hygienischen Zustände grauenvoll sind: Es gibt keine Heizung, der Strom fällt regelmässig aus, die Sanitären Anlagen sind veraltet und es stinkt. Zwar wurde den Roma versichert, dass sie in den nächsten Tagen eine Heizung bekommen, die einzige materielle Hilfe, die sie bisher bekamen, war jedoch eine Lieferung Nahrung und Kleider des Roten Kreuzes und des slowenischen Bundes der Roma.

Am Nachmittag des 30. Oktober tagte die slowenische Regierungskommission zu Romafragen. Dieser Kommission gehört neben Roma-Vertretern auch Milan Zver, der slowenische Bildungsminister an. Die Ergebnisse dieser Tagung sind, dass die Roma noch 2-3 Wochen in im Flüchtlingslager bleiben dürfen, bis dahin soll die Regierung neue Unterkünfte gefunden haben.

Kommunalwahlen ante portas

Die mobenden AmbruserInnen feiern unterdessen ihren "Sieg" und sind nicht bereit, jemals wieder Roma ins Dorf zu lassen. In etwa 2 Wochen findet in Slowenien der zweite Wahlgang der Kommunalwahlen statt, der in Ambrus boykottiert werden soll, "bis die Regierung eine Lösung des Roma-Problems" beschlossen habe.

Nach den besagten Wahlen wollen BewohnerInnen von Bucna Vas, wo es ebenfalls eine Roma-Siedlung gibt, eine großangelegte Demonstration gegen die Roma durchführen. Pogromstimmung ist garantiert...

Oberwart lässt grüssen

Schon seit 30 oder 40 Jahren ist das Grundstück, auf dem die Roma wohnten in Privatbesitz eines der ihrigen. Seit einigen Jahren leben hier etwa 20 Menschen, davon hauptsächlich Kinder. Vor 2 Jahren explodierte hier eine Bombe, die gegen die Roma gerichtet war. Die Täter konnten letztes Jahr ausgeforscht werden und wurden dieses Jahr zu hohen Haftstrafen verurteilt. Zwar wurde bei dem Anschlag auf die Ambruser Roma-Siedlung niemensch verletzt (die genau genommen ja im Dörfchen Decja Vas liegt), zwei Monate zuvor wurde jedoch in Novo Mesto eine weibliche Roma verletzt, einen Monat später starben eine romische Mutter und ihre Tochter bei der Bombenexplosion.

Ortstafel: "Tod den Zigeunern" steht auf einer Ortstafel in der Nähe von Ambrus
(Bild: Borut Peterlin borutpeterlin.wordpress.com/)


Alle mit dabei?

Widerstand gegen die rassistischen Pogrome gab es bisher kaum. Am 30. Oktober brachte eine einzige Bürgerin Postojnas Blumen und Geschenke zu den Roma ins Flüchtlingslager und verteilte auch Flyer, auf denen gegen die anhaltende Diskriminierung von Roma aufgerufen wurde. Der slowenische Menschenrechtsbeirat fand nur verhaltene Worte, so erklärte er, dass das Vorgehen der Ambruser BürgerInnen "das Ende des Rechtsstaats" bedeute. Das Wort "Rassismus" wurde nicht in den Mund genommen.

Rassistische und faschistische Tendenzen werden in der slowenischen Mainstream-Gesellschaft meistens nur als Probleme von aussen wahrgenommen. Schließlich ist unter anderem der antifaschistische PartisanInnenkampf der Kitt, der das nationale Kollektiv zusammenhält; schließlich wurde, um ganz plump möglichst viel Menschen auf die eigene Seite zu bekommen, von "nationalem Freiheitskampf" schwadroniert. Eine Reflexion darüber, ob solch ein Vorgehen nicht neue Nationalismen entfacht, gibt es in der slowenischen Medienlandschaft so gut wie gar nicht. So bezieht sich auch die rassistische Slowenische Nationale Partei positiv auf den PartisanInnenkampf. Faschisten können demnach nur Deutsche oder Italiener sein.

Originaltext und viele Links:
http://at.indymedia.org/newswire/display/56012/index.php


Kundgebung 3.11. in Klagenfurt

14.00 Uhr @ Neuer Platz - Kundgebung mit Infotisch und Strassentheater:
16.00 Uhr @ Slowenisches Konsulat, Radetszkystrasse 26
Veranstaltet von: Grünalternative Jugend Kärnten/ Zeleno-Alternativna mladina Koroska, Autonome Antifas
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